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Mittwoch, 1. Januar 2020

Rezension: "Wir sehen alles" von William Sutcliffe

Titel: Wir sehen alles 
Autor: William Sutcliffe 
Verlag und Info: Rowohlt Verlag
Wertung: 5/5 Sterne 
HC, 280 Seiten
Preis: 15,00 €
Genre: Dystopie 
Reihe: nein
VÖ:2019
© Rowohlt Verlag 

Werbung - Dieses Buch wurde mir vom Verlag als kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. 

Wir sehen alles - William Sutcliffe 


Inhalt 

London in der Zukunft - beinahe vollständig zerstört, die Menschen leben in Ruinen, sich aus unbekanntem Grund bekämpfende Fronten. Vor diesem Hintergrund erleben wir, wie der junge Lex trotzdem in einer liebenden Familie aufwächst, die sich zunehmend um den Vater sorgt, der sich offensichtlich dem Widerstand angeschlossen hat. 

Alan ist ein aufstrebender Soldat, der ausgerechnet Lex Vater als Drohnenpilot im Visier hat und diesen als Zielobjekt unter strenge Beobachtung stellt. Seine Mutter ist allerdings absolut nicht einverstanden mit seiner Tätigkeit und bekniet ihn, seine Menschlichkeit nicht zu verlieren. 

Lex ahnt nicht, wie konkret die drohende Gefahr für seine Familie ist, denn die Drohnen am Himmel, die alles beobachten, sind trauriger Alltag. Er ist vielmehr daran interessiert, die unnahbare Zoe für sich zu gewinnen .... 



Beurteilung 

William Sutcliffe zeigt mit "Wir sehen alles" eine sehr beklemmende und deprimierende, aber auch nervenzerreissend fesselnde Zukunftsvision eines zerstörten Londons. 

Diese zwei Schicksale, die in dem recht kurzen, aber gerade dadurch so prägnanten Roman beschrieben werden, haben mich aufgewühlt und so mitgerissen, dass ich die Geschichte in einem Rutsch gelesen habe.

Es kommt gar nicht so richtig raus, wie die aktuelle Kriegssituation zustande gekommen ist und wer sich da eigentlich bekämpft, aber darauf kommt es auch gar nicht an.
Ich fand den Moment, als ich als Leser die Zusammenhänge begriffen habe, unglaublich dramatisch. Obwohl es "nur" eine Geschichte ist, habe ich mit angehaltenem Atem gelesen.

Sowohl von den Protagonisten als auch von der Szenerie her lebt das Buch von sehr bildhaften und krassen Gegensätzen: 
Lex lebt trotz sehr ärmlicher Verhältnisse in einer liebevollen Familie, sein Vater wohl im Widerstand gegen die regierende Streitmacht. Er macht sich Sorgen um seinen Vater, genau wie seine Mutter und seine kleinen Geschwister. Trotzdem versucht er sein Leben zu leben, und als er Zoe kennenlernt, sogar Hoffnung für eine gemeinsame Zukunft zu schöpfen.

Alan, der zweite Strang der Geschichte, ist ein "Schreibtischsoldat" - er steuert eine der Drohnen, die den Widerstand, dem auch Lex`Vater angehört, überwacht und notfalls auch vernichtet. Beide kennen sich nicht. Irgendwie ist es total unheimlich als Leser, wenn man immer wieder von Lex' Perspektive zu Alans Perspektive switcht und das Leben von Lex Familie quasi aus der Sicht des Drohnenpiloten beobachtet. Dadurch überschneiden sich auch Erzählstränge und man liest sie aus unterschiedlichen Perspektiven, das ist ein richtig krasser Effekt. 

Was mir persönlich durch diese Geschichte richtig bewusst geworden ist ist die Tatsache, wo uns die zu erwartenden technischen Weiterentwicklungen im negativen Sinn hinführen können. Technischer Fortschritt ist toll, aber er isoliert und entfremdet. Krieg ist immer etwas Schlechtes - doch leider wird es einfacher, andere Menschen gedankenlos zu vernichten, weil man ihnen dafür nicht mehr Auge in Auge gegenüberstehen muss. Ein "Feind" wird zu einem bedeutungslosen Punkt auf einem Bildschirm. 

Diese Gegenüberstellung der grausamen Kriegsverhältnisse, der zerbombten Stadt, der gewissenlosen Gewalt, die hier ausgeübt wird, ohne viel zu hinterfragen, die Mächtigen gesichtslos, steuern die Handlungen der Soldaten über Bildschirme, auf der anderen Seite kommt trotzdem immer noch das Leben und die Menschlichkeit durch und lässt sich auch durch die schlimmsten Zustände nicht unterdrücken. 

Betrachtet man die komplette Geschichte, scheint es wie ein willkürlicher Ausschnitt, eine zufällig beleuchtete Szene vor einem großen und kriegsgebeutelten zukünftigen London - aus dem großen Heuhaufen der menschlichen Schicksale ein Leben herausgegriffen und über einige Wochen als Exempel für viele andere betrachtet. Für mich hat der Autor auf den Punkt eine einmalige Atmosphäre und Bildwelt geschaffen und durch die Kürze und die in großen Schritten verlaufende Handlung noch intensiver geprägt. 

Mein Fazit: Eine schlimme, aufpeitschende Geschichte, die traurig und nachdenklich macht, aber auf  eine gute Weise. Sie ist beklemmend, extrem spannnend und doch auch ein Gedenken an die Liebe und die Menschlichkeit, die in jedem von uns steckt. Eine Zukunftsvision, die ich nicht wahrwerden sehen will, obwohl wir alle nur noch wenige Mausklicks davon entfernt sein könnten. 
Sehr toll umgesetzt und geschrieben - von mir gibt es 5/5 Sterne.


offizieller Klappentext

Alan ist passionierter Gamer. Sein Talent im Computerspielen hat ihm den Job seiner Träume eingebracht: Auf einer Militärbasis an einem geheimen Ort wird er als Drohnenpilot ausgebildet.
Lex lebt im Streifen – im übervölkerten, von Bomben zerstörten und abgeriegelten Außenbezirk Londons. An die wachsamen, feindlichen Drohnen, die in der Luft über ihm sirren, hat Lex sich längst gewöhnt ...
Diese beiden jungen Männer werden sich nie treffen, doch ihre Leben werden sich auf dramatische Weise kreuzen: Weil Alan gerade ein hochrangiges Ziel zum Abschuss zugewiesen wurde. Für Alan ist es #K622. Doch für Lex ist es sein Vater ...

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