Seiten

Sonntag, 26. Dezember 2021

Rezension: "Die Rostjungfern" von Gwendolyn Kiste



Titel: Die Rostjungfern
Autorin: Gwendolyn Kiste
Verlag und Info: Festa Verlag
Bewertung: 5/5 Sterne
HC, 400 Seiten
Preis: 22,99 €
Genre: Mystery/Coming of Age
Reihe: nein
VÖ: 2021
© Festa Verlag

Die Rostjungfern - Gwendolyn Kiste

Inhalt

Phoebe kehrt nach vielen Jahren in ihre Heimatstadt zurück, da ihre Mutter aus dem Haus der Familie ausziehen muss und Unterstützung braucht.

Doch dabei kommt auch eine Phase aus ihrer Jugend wieder hoch, die sie im Inneren Zeit ihres Lebens vergeblich versucht hat, zu verarbeiten und zu verstehen: Die unheimliche Verwandlung ihrer besten Freundin und anderer Mädchen in die Rostjungfern - seltsame Wesen, deren Fleisch sich in etwas anderes verwandelt hat, bis sie kaum noch menschlich zu sein schienen - und der schrecklichen Art und Weise, wie die Menschen ihrer Kleinstadt damit umgegangen sind.

Und es scheint noch nicht zu Ende zu sein.

Beurteilung

Ich habe selten so ein unendlich trauriges Buch gelesen, das mich gleichzeitig nicht losgelassen hat. Ich war sehr gespannt, wie die Bezeichnung als "Coming of Age" Geschichte zum Klappentext passt, denn eigentlich weist das Genre ja eher auf eine persönliche Entwicklungsgeschichte hin denn auf eine gruselige Geschichte.

Wie sich herausstellte, hat Gwendolyn Kiste beides perfekt zusammengefasst. Aber jeder potentielle Leser sei gewarnt - ich fand die Story so richtig deprimierend, sie zeigt die verrottete Wirklichkeit hinter dem schönen Schein.

Der Autorin ist es gelungen, ein sehr plastisches Bild einer abgehalfterten amerikanischen Kleinstadt zu malen, die hauptsächlich von einem Arbeitgeber abhängig war und durch dessen Schließung fast alle Bewohner ihre letzte Perspektive verloren haben. Hoffnungslosigkeit und fehlende Zukunftsaussichten prägen das von ihr gemalte Bild und auch die Bewohner. Eine scheinheilige Kulisse, die nach außen vorgelebt wird, gottesfürchtige amerikanische Familien mit anständigem Hintergrund, doch in Wahrheit zeigen sich überall Risse in der Fassade - Hass, Armut, Fremdenfeindlicheit und zerrüttete Familien.

Vor diesem tristen Hintergrund lässt Gwendolyn Kiste die sehr mysteriöse Geschichte der "Rostjungfern" aufleben. Protagonistin dabei ist die junge Phoebe, die in diesem Dorf aufgewachsen ist und sehr unterschiedliche Verhältnisse zu den übrigen gleichaltrigen Mädchen in ihrem Umfeld hat. Die Story switcht zwischen Phoebes Vergangenheit, in der sie aus nächster Nähe die Verwandlung der Rostjungfern erlebt hat, und der Gegenwart, in der sie viele Jahre später wieder in ihren Heimatort zurückkehrt, um ihre Mutter zu unterstützen.

Stück für Stück lässt die Autorin die Vergangheit als Phoebes Erinnerungen wieder aufleben und enthüllt den Lesern das zu Beginn des Buchs erstmal unerklärliche Phänomen, denn zu Beginn weiß man natürlich nicht, was eine Rostjungfer ist und was es damit auf sich hat. Und es bleibt auch rätselhaft, denn selbst als man langsam versteht, wieso die Betroffenen so genannt werden, bleiben doch die Gründe unklar.

Vor dieser langsam voranschreitenden, ekelhaft-schönen Verwandlung zeigt die Autorin vor allem auch, wie die "normal" bleibenden Menschen damit umgehen - Ausgrenzung von Andersartigkeit könnte man es auch nennen, eine so menschliche und hässliche gesellschaftliche Dynamik, die sich immer wieder in der Welt zeigt, eingeflochten in diese gruselige Erfahrung, sich in ein Wesen zu verwandeln, das nicht mehr aus Fleisch und Blut besteht und seltsame Fähigkeiten zu erlangen scheint.

Phoebe scheint die Einzige zu sein, die bis zum Schluss versucht, das Menschliche hinter den verwandelten Mädchen zu sehen und ihnen sogar zu helfen, doch auch sie unterliegt dem Zwang der Mehrheit und hadert viel mit sich selbst.  Bis zum großen Finale, wenn man endlich erfährt, wie das Ganze in der Vergangenheit ausgegangen ist, wird die Geschichte fast schon quälend langsam enthüllt - doch es stellt sich heraus, dass die Vergangenheit vielleicht doch nicht so abgeschlossen war, wie es schien.

Zwischen all dem ist Phoebe für mich eine sehr starke Protagonistin, die ihr ganzes Leben an der Geschichte trägt, aber auch ohne das ihr ganz normales menschliches Familiendrama durchleben und verarbeiten muss. Eine sehr einsame Person mit wenig Perspektiven, die es scheinbar nie schafft, die Vergangenheit ruhen zu lassen und nach vorne zu sehen.

Ich fand das Buch insgesamt sehr toll geschrieben, musste es aber tatsächlich ab und an mal weglegen, weil ich gemerkt habe, dass die depressive und trübe Stimmung des Buches zu sehr auf mich übergingen und mich selbst runtergezogen haben. Ein Buch, das einem am Ende keine heile Welt vorgaukelt, sondern einen mit der bitteren Realität und einer unglaublichen Geschichte sitzen lässt. 

Es war auf jeden Fall einmalig und besonders - von mir bekommen die Rostjungfern 5/5 Sterne.

 

Klappentext

Cleveland, Ohio, Sommer 1980: Phoebe bereitet sich auf eine trostlose Zukunft vor. Die High School ist zu Ende und mit ihr auch die Illusion eines schönen Lebens.
Doch plötzlich verändert sich etwas. Ehemalige Mitschülerinnen durchleben eine erschreckende Metamorphose: Ihre Fußabdrücke hinterlassen Pfützen aus schwarzem Wasser. Ihr Fleisch wird spröde, die Körper wandeln sich zu Glas und offenbaren metallische Knochen, die schnell verrosten.
Das unheimliche Phänomen breitet sich aus und die deformierten Mädchen werden zur traurigen Sensation. Auch Phoebe ist dabei ihren Körper zu verlieren – in Vergangenheit wie auch Gegenwart …

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Absenden dieses Kommentars werden personenbezogene Daten an den Betreiber dieser Plattform (blogger.com) übermittelt, die vom Betreiber dieses Blogs nicht beeinflusst, eingesehen oder gelöscht werden können. Bitte sende diesen Kommentar nur, wenn Du damit einverstanden bist. Danke!

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.