Samstag, 2. Oktober 2021

Rezension: "1984.4" von Philip Kerr



Titel: 1984.4
Autor: Philip Kerr
Verlag und Info: Rowohlt Verlag
Bewertung: 4/5 Sterne
HC, 320 Seiten
Preis: 16,00 €
Reihe: nein
Genre: Dystopie/Utopie
VÖ: 2021
© Rowohlt Verlag

Werbung - Dieses Buch wurde mir vom Verlag als kostenfreies Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. 

1984.4 - Philip Kerr

Inhalt

Florence hat es geschafft: Unter Hunderten von Bewerbern wurde sie als eine der wenigen ausgewählt, die im Senioren - Service Dienst tun dürfen: Sie jagt alte Menschen, die für die freiwillige Exekution vorgesehen waren, sich aber davor mit allen Mitteln drücken wollen.

Sie tut diese Arbeit aus tiefster Überzeugung und mit Begeisterung. Doch während ihrer Arbeit im Seniorenservice wird sie immer mehr von sich selbst überrascht. Manche ihrer Gedanken und Entdeckungen passen irgendwie nicht zu dem, was man ihr beigebracht hat an Werten und was richtig ist in der Gesellschaft.

Und als sie Eric kennenlernt, merkt sie noch viel deutlicher, das irgendetwas nicht richtig laufen kann. Und auch in ihrer Familie gibt es Dinge, die sie innerlich unruhig machen, die sie zweifeln lassen.

Doch wie soll Florence alleine etwas ändern, von dem sie doch eigentlich selbst im Grunde überzeugt ist? 

Beurteilung

Wahrscheinlich werden mich jetzt erstmal alle killen, aber es ist so: Ich habe 1984 nie gelesen und kann daher leider keine direkten Vergleiche ziehen. Gemäß dem Autor ist 1984.4 in vielen Dingen angelehnt, an das Original, aber keine Nacherzählung, sondern eine Parabel auf das Original - die Grundlage ist die gleiche, die Handlung aber deutlich abweichend.

Macht das Buch optisch erstmal nicht viel her, war ich direkt auf den ersten Seiten total positiv überrascht, wie leicht ich in die Story gekommen bin und wie angenehm es sich liest. Auch wenn das Thema ernst ist, ist die Geschichte leicht lesbar, unterhaltsam und spannend, kommt vom Niveau eher wie ein Jugendbuch daher und nicht wie ein literaturträchtiger Klassiker, daher - keine Angst vorm Lesen.

Die Geschichte spielt im Jahr 2034, die Zeitrechnung ist in diesem zukünftigen Staatskonstrukt etwas umgestellt. In 1984.4 ist die Welt anders aufgeteilt als heute, viele Nationen existieren nicht mehr im herkömmlichen Sinn. Die Schere zwischen Arm und Reich ist größer geworden, und alle Menschen werden gnadenlos überwacht, und zwar mit modernsten Techniken. Es gibt kaum einen Raum für eigene Gedanken, geschweige denn die Freiheit, diese bedenkenlos zu äußern.

Vor all dem steht Florence, ein junges Mädchen, als Protagonistin. Am Anfang fand ich sie interessant, und sie ist zu Beginn auch Sinnbild für alles, was 1984.4 falsch läuft, wie die Menschen indoktriniert werden, es erinnert ein bisschen an die SS-Jugend, auch wenn es hier nicht um die Verfolgung von Religionen oder Ethnien geht, sondern um die Alten, für die Gesellschaft nicht mehr als nützlich empfundenen Menschen.

Für mich hat Florence aber im Laufe der Geschichte immer mehr Glaubwürdigkeit eingebüßt, oder sagen wir, eine Naivität und ein Denken an den Tag gelegt, den ich ihr irgendwie in dieser Geschwindigkeit nicht abgekauft habe. Ich verstehe schon, was der Autor an ihr zum Ausdruck bringen will, aber ich fand Ihre Veränderung zu aprupt, nicht so, wie sie sich realistisch allmählich in einem Menschen entwickelt. Sie war in jeder Situation immer extrem in die eine oder andere Richtung, ein Mittelmaß gibt es für Florence nicht. Damit muss man zurechtkommen.

1984.4 erzählt die Geschichte eines jungen Liebespaars, das es nicht geben darf, einer unfreien Welt, in der sich niemand wirklich traut, aufzubegehren, aber irgendwie ziemlich verklärt und irgendwie am Ende dann doch zu einfach. 

Was mir aber wirklich  Gänsehaut bereitet hat, war die "Lösung", die man in dieser Gesellschaft für die Überbevölkerung und die Überalterung gefunden hat - ein freiwilliger Exitus, der dann doch nicht so ganz freiwillig geschieht und bei dem Zuwiderhandlung gnadenlos verfolgt wird. Und das Geheimhalten wichtiger wissenschaftlicher Entwicklungen vor der Menschheit. Und das vernichten der Geschichte, damit niemand nachschauen kann, wie anders das Leben einmal war.

Sehr überspitzt gibt 1984.4 eine Zukunft wieder, auf die wir uns zubewegen können, zeigt Denkweisen auf, die in Ansätzen jetzt schon in so manchem Schlummern oder sogar offen propagiert werden, Wege zur Volksverdummung und zur Ruhighaltung der massen, die jetzt schon sehr erfolgreich praktiziert werden, und es schreit förmlich: Wacht auf! Denkt nach! Redet mit! Wehret den Anfängen! 

Insgesamt fand ich das Buch toll und es hat sich super weggelesen - ich hätte mir aber dennoch eine etwas tiefere, reifere Ausgestaltung der Protagonisten, allen voran Florence, gewünscht, um der Story mehr Wirklichkeit und etwas mehr Tiefe zu geben, denn alles in allem bleibt sie doch ziemlich oberflächlich. Aufgrund dieses Mankos gibt es einen Stern Abzug, ich vergebe 4/5 Sterne.


Klappentext

Wir schreiben das Jahr 2034. Der Staat hat die völlige Kontrolle über Leben und Tod, der geheimnisvolle «Winston» wacht über alle.
Die 16-jährige Florence arbeitet aus voller Überzeugung für den sogenannten Senior Service, dessen Aufgabe es ist, ältere Menschen zu enttarnen und zu töten, die sich weigern, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, um Platz für die Jüngeren zu machen.
Doch dann verliebt sich Florence in Eric. Und sie beginnt, das System in Frage zu stellen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Absenden dieses Kommentars werden personenbezogene Daten an den Betreiber dieser Plattform (blogger.com) übermittelt, die vom Betreiber dieses Blogs nicht beeinflusst, eingesehen oder gelöscht werden können. Bitte sende diesen Kommentar nur, wenn Du damit einverstanden bist. Danke!

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.